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Nocebo Effekt
Microgen/suhtterstock.com

Der Nocebo-Effekt: Die Kraft der menschlichen Psyche

Der Placebo-Effekt ist den meisten Menschen ein Begriff. Sein Gegenüber ist gewissermaßen der sogenannte Nocebo-Effekt. Die Bezeichnung Nocebo-Effekt leitet sich von dem lateinischen Verb „schaden“ beziehungsweise „nocere“ ab. Wissenschaftler widmen sich dem Phänomen erst seit wenigen Jahren. Ähnlich wie beim Placebo-Effekt geht es beim Nocebo-Effekt darum, dass sich bei Patienten nach Einnahme eines vermeintlichen Medikaments eine körperliche Veränderung einstellt, die nicht durch die enthaltenen Wirkstoffe hervorgerufen wird. Im Zentrum der Forschung steht die menschliche Psyche.

Welchen Einfluss haben unser Geist und die innere Einstellung auf Heilungsprozesse? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Nocebo-Forschung.

In diesem Artikel:

Das Gegenteil vom Placebo: Der Nocebo-Effekt

Im Allgemeinen bezeichnet man mit dem Begriff „Nocebo-Effekt“ die negative Nebenwirkung einer Scheinbehandlung. In Erwartung bestimmter Folgen treten bei den Probanden im Anschluss an die Behandlung Symptome auf, die sie als belastend empfinden.

Das Vorwissen um die Wirkung des Medikaments dient als eine Art Konditionierung. Nocebo-Probanden müssen also das vermeintlich verabreichte Mittel kennen und die Wirkung abschätzen können, um an entsprechenden Tests teilnehmen zu dürfen, die das Phänomen erforschen. Mögliche negative Effekte einer Therapie müssen bekannt sein. 

Wie unterscheiden sich Placebo- und Nocebo-Effekt genau? Eine Definition

Beide Phänomene sind eng miteinander verwandt, wenngleich unterschiedlich bekannt. Sie zeichnen sich durch gegenteilige Eigenschaften aus:

 

Placebo

Nocebo

Wortbedeutung

- „Ich werde gefallen“

- „Ich werde schaden“

Entstehung des Begriffs

- Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt

- In den 1990er Jahren entdeckt

Wirkung

- Positive psychisch begründete Folgen einer Behandlung

- Negative Folgen einer medizinischen Leistung aufgrund von Vorgängen des Verstands

Untersuchungsmöglichkeiten

- Vielfältig und aussagekräftig

- Komplexer sowie uneindeutiger

Zusammengefasst: Beim Nocebo-Effekt löst eine negative Erwartungshaltung des Patienten Nebenwirkungen aus, obwohl das verabreichte Medikament nicht die entsprechenden Wirkstoffe enthält. Beim Placebo-Effekt sorgt dagegen eine positive Erwartungshaltung dafür, dass der Patient von der Wirkung eines Medikamentes profitiert, das eigentlich wirkungslos sein sollte.

Während das Nocebo eine ängstliche Grundemotion voraussetzt, sind bei einem Placebo Zuversicht und Vertrauen in die Medizin vorhanden.

Anwendungsbereiche und Wirksamkeit

Generell kann der Nocebo-Effekt jeden treffen, der von einer Einnahme oder der Behandlung negative Resultate erwartet. Um einen Nocebo-Effekt im engeren Sinne handelt es sich nur, wenn man von Auswirkungen spricht, die durch medikamentöse oder andere Behandlungsmaßnahmen hervorgerufen worden sind.

Im Allgemeinen besteht außerdem ein Zusammenhang mit dem Gefühl der Angst. Von Grund auf ängstliche Menschen scheinen anfälliger zu sein. Die Faktoren, die bei dem Nocebo-Effekt eine Rolle spielen, sind jedoch äußerst vielfältig. Obwohl man bei einem Nocebo prinzipiell nicht von einer positiven Wirkung sprechen kann, ist zumindest erwiesen, dass manche Beschwerden oder Schmerzen ausschließlich auf nicht-medizinische Stimuli zurückführen sind.

Sie können dem Nocebo-Effekt vorbeugen, wenn Sie die Ängste Ihres Patienten ernst nehmen und diese gezielt abbauen. Eine gute Beziehung zum Patienten fördert auch Ihre Arzt-Karriere.

Der Nocebo-Effekt: Beispiele aus der Praxis

Wie beschrieben, ist das Gefühl oder die Einstellung des zu behandelnden Menschen ein maßgeblicher Faktor beim Nocebo-Effekt. Dementsprechend kann er in einer Vielzahl von Varianten auftreten. Obwohl das Forschungsgebiet noch vergleichsweise neu ist, existieren bereits Studien. Der Nocebo-Effekt macht sich unter anderem in folgenden Situationen bemerkbar:

  • Nach Impfungen, vor allem bei öffentlichkeitswirksamen Kampagnen wie der Bekämpfung des Coronavirus
  • Bei Folgen von angeblichen Herzerkrankungen
  • Bei überdosierten Scheinmedikamenten
Nocebo Effekt
kmls/shutterstock.com

Der Nocebo-Effekt als moralische Zwickmühle

Ärztinnen und Ärzte, die einen Patienten über die potenziellen, unerwünschten Folgen eines Wirkstoffs aufklären, sehen sich oft in einer moralischen Zwickmühle gefangen. Dabei steht die Frage im Zentrum, ob es dem zu Behandelnden hilft oder eher schadet, wenn er Risiken und Nebenwirkungen kennt.

Was schätzen Sie höher?

  1. Die Aufklärungspflicht
  2. Den Willen, potenziellen Schaden von Patienten abzuwenden (primum non nocere)

In beiden Fällen handelt es sich um ein ärztliches Gebot. Allerdings gefährdet die Wahrung des einen manchmal die Einhaltung des anderen. Falls Sie den Patienten aufklären und dieser sich vor den Folgen einer Behandlung fürchtet, kann es zum Nocebo-Effekt kommen. Möchten Sie ihn vor dem Phänomen bewahren, verletzen Sie jedoch Ihre Aufklärungspflicht.

Der Nocebo-Effekt in der Medizin: Der Schlüssel ist ein verantwortungsbewusster Umgang

Da die Forschung zum Nocebo-Effekt noch in den Kinderschuhen steckt, bleibt vieles im Unklaren. Allerdings lassen sich bereits jetzt gewisse Verhaltensgrundsätze ableiten, durch die sich der Effekt zumindest abschwächen lässt.  

In erster Linie ist es wichtig, dass Sie sowohl Ihrer gesetzlichen Aufklärungspflicht gerecht werden, als auch mögliche negative Auswirkungen minimieren. Dabei steht die Art, wie Sie mit Patienten kommunizieren, im Fokus. Wenn Sie Ihre Sprache beispielsweise bewusst sensibilisieren und bei Beschreibungen verstärkt positive Ausdrücke verwenden, beginnen Sie in einer guten Ausgangsposition und vermitteln ängstlichen Patienten ein Gefühl von Sicherheit.